Laibach, 3.August 2008 - 10:06 Uhr: Das Unglaubliche geschieht und ein großer Traum wird plötzlich Wirklichkeit. Ich überquere nach 2:36:01h die Ziellinie im Laibacher Leichtathletikstadion und bin MASTERS-EUROPAMEISTER im Marathon!

Gemeinsam mit meiner Trainerin Krista Gruss-Brunner habe ich im Oktober 2007 genau diesen Marathon bei der Masters-Europameisterschaft als den wichtigsten Wettkampf in der Saison 2008 bestimmt. Damals lautete mein Ziel: im Vorderfeld landen und eine Zeit um 2:30-2:35h. Nach dem ersten Laktattest sah es gar nicht gut aus und Krista meinte, es ist zwar ein schönes Ziel, aber es wartet sehr viel Arbeit auf uns. Ich war mir meines Willens und meiner Stärken jedoch absolut bewusst und habe sehr konsequent trainiert. Bereits das Wintertrainingslager in Gaeta (Italien) gemeinsam mit Mario Weiss und Martin Spitzer zeigte deutlich, dass die Formkurve nach oben geht. Das zeigte im März der starke 6. Platz bei den Österreichischen Cross-Meisterschaften in Innsbruck. Die etwas enttäuschende ÖM im Halbmarathon schraubte meine Erwartungen für den Marathon auf bestenfalls 2:35h zurück.

Die letzten 3 Monate habe ich dann sehr viel im Marathontempo (3:40min/km!!) trainiert und es machte mir große Freude, dass ich mit diesem Tempo keinerlei Probleme hatte. Dazu kamen fast wöchentliche Longjogs um die 30-32km und durchschnittliche 90-120km pro Woche. Die letzte Woche war dann wie so oft die schlimmste. Beinahe bei jedem wichtigen Wettkampf, wo ich mir viel erwarte und erhoffe, verläuft diese Woche mit müden Beinen und Trainingseinheiten, die ich gerne nach 5min wieder beenden würde, weil ich mich dabei so schlecht fühle. Als ich das meinem Bruder Markus am Vortag des Marathons sagte, meinte er nur, dass das bei mir eh ein gutes Zeichen ist, wenn es in den letzten Tagen nicht ganz rund läuft. Und er hatte Recht.

Schließlich kam der Marathontag: Tagwache war um 4:00 Uhr, vor lauter Angst verschlafen zu können stand ich sofort auf und schlüpfte in meine Laufschuhe. Um 4:10 Uhr verließ ich die Ferienwohnung und ging 7 min laufen um richtig aufzuwachen, gut fühlte ich mich noch immer nicht. Als ich zurückkam, frühstückte ich 2 Semmeln mit Butter und Marmelade, eigentlich ganz gegen meine Frühstücksphilosophie und trank sehr viel Wasser und Isodrink. Bis zum Start um 7:30 Uhr brachte ich es auf fast 2 Liter Flüssigkeit, sodass ich gut hydriert starten konnte. Um 6:00 Uhr führte mich mein Bruder Mario ins Stadion, wo der Startschuss erfolgen sollte. Dort lernte ich die beiden österreichischen Teamkollegen Georg Ruess (M40) und Jürgen Fellner (M35) kennen und wir warteten gemeinsam auf den Start. Während die meisten Athleten aufwärmten und ein paar Runden um den Sportplatz drehten, saßen wir auf dem Tartan und unterhielten uns. Um 7:15 Uhr ging ich schließlich auch Einlaufen - ich joggte ca. 150m zum WC und danach zurück - das war's!! Dann begaben wir uns in den schmalen Startbereich. Ich stand in Reihe 4 neben Jürgen, der eine Bestzeit von 2:36 hat und somit dasselbe Ziel wie ich hatte - 2:35h.

7:30 Uhr, bedeckt, angenehme 14°: Startschuss für die rund 250 Damen und Herren des EM-Marathons. Die Nervosität der letzten Tage und Stunden war sofort weg und ich war hochkonzentriert. Von Beginn an setzte sich Georg Ruess ab und lief ein einsames Rennen an der Spitze des Feldes. Dahinter folgten 4 einzelne Läufer und eine Gruppe von ca. 20 Marathoni, in der auch ich mich befand. Wir starteten mit dem von mir angepeilten km-Schnitt von 3:40min und ich lief inmitten der Gruppe. Bei km 7 lösten sich die Wolken auf und somit war der Weg frei für die Sonne und die Temperatur stieg stetig an, im Ziel waren es 25°. Ab km 7 lief ich mit Kappe und Sonnenbrille. Bei km 10 nahm ich mein erstes Gel, das bei der Eigenverpflegung bereitstand. Die Gruppe war da noch ziemlich dicht beieinander, ich schob mich jedoch an die Spitze, da das Tempo ein wenig einschlief. Bei km 15 holten wir den letzten der 4 Verfolger ein und es war nur noch Georg vorne - aber der war bereits uneinholbar. Die Gruppe zerriss jetzt langsam und bei km 20 (2.Gel) waren es nur mehr 14 Läufer, die um den 2.Platz kämpften.

Kurz nach dem Halbmarathon, den wir in 1:19:11h absolvierten, erreichten wir den Ort Vodice. Von da an hatte ich 2 treue Begleiter: Meine Freundin Maria und mein Bruder Mario erwarteten uns hier zum ersten Mal und feuerten mich an. Da die Strecke nicht abgesperrt war und daher für den Verkehr freigegeben war, konnten sie mit dem Auto oft an uns Läufern vorbeifahren und einige km später auf mich warten. Das motivierte mich sehr stark, da ich mich natürlich immer im Vorderfeld zeigen wollte, wenn ich Maria und Mario wieder sah. Ab km 22 machten 2 Läufer viel Druck, nämlich der Spanier Javier Colomo (M45) und der Tscheche Petr Havelka (M35), vor allem auf den kurzen Anstiegen, die es immer wieder gab. Ich ließ mich nicht auf diese Spielchen ein und lief meinen Rhythmus weiter. Ich tastete mich dann langsam wieder an die beiden heran. Bis km 25 war es dann hauptsächlich der Tscheche, der für die Pace sorgte. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich enorm gut und ging jedes Tempo mit. Bis km 30 holten uns der Spanier Colomo und der Pole Slawomir Pieczurowski (M45) ein. Maria und Mario erwarteten uns das letzte Mal bei der Verpflegstelle bei km 32, wo sie mich nochmals anfeuerten. Wir liefen noch zu viert und der Anstieg an dieser Stelle brachte eine kleine Vorentscheidung. Der Tscheche forcierte das Tempo und setzte sich leicht ab, doch das war sein Todesurteil. Ich riss einen 20m Rückstand auf, kam aber im Flachstück wieder heran.

Die Verpflegstelle bei km 35 brachte die endgültige Entscheidung im Kampf um den Sieg in der Klasse M35. Der Tscheche griff neben seine Flasche und musste stehen bleiben und sie vom Boden aufheben. Ich dagegen langte ruhig und konzentriert zu einem Becher und kam so zu einem Schluck Wasser. Dann hielt mich nichts mehr auf. Gemeinsam mit Colomo zog ich auf und davon. Wir setzten uns vom Polen und dem Tschechen ab. Wie zwei Ausreißer beim Radfahren, wechselten wir uns in der Führungsarbeit ab und zogen uns gegenseitig ins Ziel. Als ich mich bei km 40 umdrehte und sah, dass wir bereits ca. 200m Vorsprung auf den Tschechen hatten, wusste ich, dass mir der Europameistertitel sicher war. 500m vor dem Ziel setzte der Spanier zum Zielsprint an, doch ich konnte bzw. wollte nicht folgen. Die Gefahr eines Krampfes auf den letzten Metern war mir zu groß. Die letzten 2,195km spulte ich in 8:32min runter und lief nach 2:36:01h als Gesamtdritter ganze 4s hinter Colomo ins Ziel. Meine drei Jahre alte Bestleistung verbesserte ich um 18:41min.

Zum Drüberstreuen gewann ich mit Georg Ruess (M40-Sieger in 2h31'42") und Jürgen Fellner (M35-Dritter in 2h41'06") mit 45min Vorsprung überlegen die Teamwertung vor Ungarn und Slowenien.

Meine 5km-Zwischenzeiten im Detail:

18'30" - 18'32" - 18'57" - 18'49" - 18'11" - 17'52" - 18'18" - 18'20" - 8'32"

1.HM: 1h19'11"

2.HM: 1h16'50"

Die Gefühle, die ich beim Zieleinlauf hatte, sind eigentlich unbeschreiblich, aber es war ungefähr so: Beim Einlauf ins Stadion bekam ich die Gänsehaut und ich konnte vor Erregung kaum noch atmen. Es war nur noch ein Schluchzen und die Tränen standen mir in den Augen. Als mich dann noch Maria und Mario 20m vor der Ziellinie anfeuerten, war dies der schönste Moment, den ich bis dahin als Läufer erleben durfte. Der emotionale Höhepunkt erfolgte jedoch bei der anschließenden Siegerehrung, wo ich mit der österreichischen Flagge auf das Siegerpodest steigen durfte und die österreichische Bundeshymne für mich gespielt wurde.

Mein größter Dank gilt natürlich Krista, die mir die auf mich perfekt abgestimmten Trainingspläne geschrieben hat und die immer an mich geglaubt hat. DANKE Krista!!

Maria möchte ich weiters dafür danken, dass sie mir nie den Weg zum EM-Titel versperrt hat und sehr großes Verständnis für meine Konsequenz beim Einhalten der Trainingspläne hatte. Ich verspreche, dass ich jetzt mehr Zeit für dich habe.

Außerdem möchte ich allen treuen Trainingspartnern Dank aussprechen, vor allem Olivier Carteret, der viele Dauerläufe mit mir absolviert hat und Mario Weiss, mit dem ich viele Intervalle trainiert habe und der mich durch das Konkurrenzverhältnis, das ein wenig zwischen uns herrscht, stark motiviert hat.

Weiters Markus Hailing, Johannes Hell, Oliver Pangratz, Martin Spitzer und allen weiteren Vereinskollegen, Konkurrenten und „Fans", die sich mit mir freuen. Insbesondere meine Eltern, die mich mit Torte und Glückwunschband sehr herzlich empfangen haben und natürlich mein Bruder Mario.

Zum Abschluss will ich nur noch sagen, dass es die richtige Entscheidung war, diesen Marathon zu laufen, weil ich 42,195km hindurch NIE alleine gelaufen bin und ich hier das OPTIMALE Läuferfeld hatte (mit 20 Läufern, die in meinem Bereich laufen können). Und das kann ich bei keinem Marathon in Österreich vorfinden. Es war mir immer das wichtigste, nicht alleine laufen zu müssen. Und dass man auch im August gute Zeiten laufen kann, habe ich nun sicher bewiesen. Ein schöner Gruß hiermit an alle Zweifler!

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